Disziplinarverfahren und –maßnahmen im Arbeitsverhältnis

I. Begriff des Disziplinarverfahrens

Im deutschen Recht handelt es sich um ein Disziplinarverfahren lediglich dann, wenn in ein Verfahren ein mögliches Dienstvergehen von Beamten, Richtern oder Soldaten geprüft und sanktioniert werden muss. Bei Arbeitnehmern gelten die sog. allgemeinen Sanktionen des Arbeitsrechts. Im bulgarischen Arbeitsrecht besteht ein begriffstechnischer Unterschied nicht, so dass selbst bei Arbeitnehmern von einem Disziplinarverfahren die Rede sein kann.

Disziplinarmaßnahmen bzw. - sanktionen kann neben dem Arbeitgeber auch eine von ihm bevollmächtigte Person oder eine vom Gesetz ermächtigte Behörde erlassen (Art. 192 ArbGB). Eine Kündigung dagegen kann nur vom Arbeitgeber ausgesprochen werden.

II. Ablauf und Stufen des Disziplinarverfahrens

1. Feststellung eines Verstoßes:

Der Arbeitgeber ist gem. Art. 193 ArbGG verpflichtet, die Tatsachen, die einen etwaigen Verstoß belegen, zu ermitteln und diesen festzustellen. Der Arbeitgeber ist außerdem verpflichtet, dem Arbeitnehmer in einem Anhörungsverfahren die Möglichkeit zu geben, sich über den Vorwurf zu äußern.

2. Bestimmung der Art der aufzuerlegenden Disziplinarmaßnahmen:

Die Entscheidung über das Ob und Wie einer Disziplinarsanktion liegt im Ermessen des Arbeitgebers, wobei dieser sich von folgenden Kriterien leiten lassen soll:

• Die Schwere des Verstoßes

• Die Umstände, unter denen der Verstoß begangen wurde (Zeit, Ort und Besonderheiten der Tätigkeit);

• Das Verhalten des Arbeitnehmers bis zur Begehung des Verstoßes

Die Kriterien sind kumulativ anzuwenden und der Arbeitgeber soll sie vorerst berücksichtigen, da der Arbeitnehmer innerhalb der Frist des Art. 358 ArbGB Klage vor dem Amtsgericht erheben kann. In seiner Entscheidung prüft dann das Gericht eben das Vorliegen der obigen Kriterien.

Hier findet Anwendung das Prinzip, dass wegen desselben Verstoßes der Arbeitnehmer nicht mehrmals sanktioniert werden kann.

3. Sanktionsformen:

Disziplinarsanktionen werden dem Arbeitnehmer auferlegt, wenn dieser betriebliche Regeln oder die Arbeitsdisziplin verletzt hat.

Die Gründe für die Auferlegung solcher Maßnahmen werden in Art. 186, 187 und 190 ArbGB aufgezählt.

Des Weiteren enthält Art. 188 verschiedene Arten von Disziplinarsanktionen:

  1. Ermahnung;

  2. Abmahnung;

  3. Kündigung (in der Regel außerordentlich und fristlos) - das schärfste Schwert des Arbeitgebers

4. Die Anordnung von Disziplinarmaßnahmen:

Die Sanktion ist vom Arbeitgeber schriftlich zu erlassen. Das ArbGB trifft zwingende Bestimmungen über Inhalt und Form der Anordnung. Diese muss die Gründe für die Entscheidung angeben und vom Arbeitgeber unterschreiben werden. Außerdem ist ein ausdrücklicher Hinweis auf die Gesetzesvorschrift, auf die die Sanktion gestützt ist, anzugeben.

5. Zustellung der Anordnung:

Damit der Arbeitnehmer Kenntnis von dem Inhalt der Anordnung nehmen kann, ist ihm diese persönlich auszuhändigen. Sollte dies nicht möglich sein, ist die Anordnung mittels Einschreiben mit Rückschein zuzustellen. Als Zustellungsdatum gilt der Tag, an dem der Rückschein vom Empfänger unterschrieben wurde. Mit diesem Tag ist die Anordnung gegenüber dem Arbeitnehmer wirksam und die Klagefrist nach Art. 358 ArbGB beginnt zu laufen. Der Tag ist ferner für das In-Lauf-setzen der Frist für die Löschung der Sanktion maßgeblich.

6. Fristen für die Auferlegung einer Disziplinarmaßnahme

Diese sind im Art. 194 ArbGB geregelt. Demnach ist eine Disziplinarsanktion spätestens 2 Monate nach der Entdeckung des Verstoßes aber in den Rahmen von 1 Jahr nach seiner Begehung aufzuerlegen. Diese Fristen sind gehemmt, solange Fristen der Arbeitnehmer im Urlaub ist oder der Streik, an dem der Arbeitnehmer teilnimmt, für gesetzwidrig erklärt wird.

7. Löschung der Disziplinarmaßnahmen

Nur die An- und Abmahnung können gelöscht werden. Die Löschung kann nur für die Zukunft innerhalb der folgenden Fristen vorgenommen werden:

  • nach dem Gesetz/ ex lege (Art. 197 ArbGB) – mit dem Ablauf eines Jahres seit der Auferlegung;

  • vom Arbeitgeber (Art. 198 ArbGB) – vor dem Ablauf eines Jahres nach Ermessen des Arbeitgebers und wenn der Arbeitnehmer zwischenzeitlich keine weiteren Verstöße begangen hat. In diesem Fall erfolgt die Löschung ebenfalls mittels schriftlicher, begründeter Anordnung des Arbeitgebers.

Eine außerordentliche Kündigung kann nach diesem Verfahren nicht gelöscht werden.